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Mehr als Grätenzählen. Die Anfänge der modernen Fischkunde

Nur wenige Menschen wissen heute noch etwas mit dem Namen Marcus Bloch anzufangen. Dass der eigensinnige Mann einst die Wissenschaft revolutionierte, ist auch unter Anglern (fast) in Vergessenheit geraten.

„Daß er sich mit den Fischen beschäftigt, ist mir lieb; was er von meinen Landräthen verlangt, ist dummes Zeug; was vor Fische in der Mark sind, das weiß ich, es sind Karpfen, Zander, Barsche und Aale; will er etwa die Gräthen zählen?“ Mit diesen harschen Worte lehnte der sonst so tolerante und dem Neuen aufgeschlossene Preußenkönig Friedrich der Große (1712-1786) im Jahre 1779 das Ansinnen ab, die Fischbestände in der Mark Brandenburg zu erforschen. Angefragt hatte kein geringerer als Marcus Élieser Bloch (1723-1799), einer der bedeutendsten Zoologen seiner Zeit. Das Friedrich mit seiner spöttischen Frage nach der Ermittlung der Grätenanzahl gar nicht so falsch lag, konnte er damals aber noch nicht ahnen, denn Bloch steckte, obgleich fast 60 Jahre alt, noch am Anfang seiner Karriere als Wissenschaftler und erst Recht als Begründer der modernen Ichthyologie. Wie viele Forscher und Entdecker, musste auch er einen steinigen Weg gehen und sein Geld mit „ehrlicher Arbeit“ verdienen, was in seinem Fall bedeutete, ausgiebige fischwissenschaftliche Studien nur neben seiner eigentlichen Tätigkeit als Chirurg an einem Berliner Krankenhaus betreiben zu können. Dies war sowohl zeitlich wie auch finanziell nicht leicht. In einem Brief schrieb er: „In meinen Erholungsstunden beschäftige ich mich mit der Naturgeschichte.“ Dazu gehörte dass Sammeln von Fischpräparaten, aber auch von exotischen Dingen, wie dem Laich afrikanischer Welse oder einzelnen Schuppen und Gräten amerikanischer Arten.

Ein Segelfisch mit rundem Segel aus der „Naturgeschichte der ausländischen Fische“.

Leicht hatte es der im bayrischen Ansbach als Sohn jüdischer Eltern Geborene nie. Bis zu seinem 19. Lebensjahr konnte Bloch weder Deutsch sprechen noch lesen und schreiben. Durch seine Hebräischkenntnisse gelang es ihm jedoch, eine Stelle als Hauslehrer bei einem Arzt zu erhalten, wo er über das Lateinische schließlich auch Deutsch lernte und sich soviel Kenntnis in Anatomie und Medizin aneignete, dass er schließlich in Berlin ein Medizinstudium aufnehmen konnte.

Schwierige Anfänge

Zu diesen persönlichen Startschwierigkeiten gesellte sich das Problem, dass es zu seiner Zeit nicht viel über Fische zu lesen gab. Die meisten wissenschaftlichen Autoritäten beriefen sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts noch immer auf frühneuzeitlichen Klassiker, nämlich das 1558 erstmals erschiene „Vollkommene-Fischbuch“ des Schweizer Gelehrten Conrad Gesner (1516-1565) sowie die Arbeiten dessen französischer Kollegen Guillaume Rondelet (1507-1556) und Pierre Belon (1517-1564). Ein weiterer Hemmschuh für Bloch war die Tatsache, dass sich seine Zeitgenossen für Fische nicht besonders interessierten, waren deren Bestände doch weder in den Seen und Flüssen noch in den Weltmeeren gefährdet, sodass Fisch ein Allerweltsgut war, um das man sich keine Gedanken machte. Dem begeisterten Ichthyologen blieb folglich nichts anderes übrig, als seine Studien auf eigene Faust und auf eigene Kosten zu betreiben. Wie hoch diese für die Publikation seiner 1782 erschienen „Allgemeinen Naturgeschichte der Fische Deutschlands“ aufgefallen sein mögen, erfahren wir aus einem von ihm zwei Jahre später geschriebenen Brief: „Ohne die Sache zu übertreiben, kann ich versichern, daß mir die Ausführung dieses Werkes beynahe nocheinmal so hoch zu stehen kommt, als ich anfänglich geglaubt habe; indem ich denn Kupferstechern, vom Anfange der Lachsarten an, als bey welchen sich zuerst die kleineren Schuppen zeigen, die Hälfte mehr als bey den Karpfen zahlen musste. Das Ausmalen mit ächtem Silber und Golde, der rothen Abdrücke, der drei kleineren und des großen Titelkupfers, und der anderen unerwarteten Ausgaben und Schäden, welche ich bey der ersten Einrichtung gar nicht in Anschlag gebracht, oder daran gedacht hatte, zu verschweigen.“

Sandaal und ein ungeborener Haifisch aus der „Naturgeschichte der ausländischen Fische“

Zwölfbändiges Mammutwerk

Nach dem Erscheinen der „Naturgeschichte der Fische Deutschlands“, die er noch gerade aus eigener Tasche bezahlen konnte, folgten bald weitere Bände, so dass in den Jahren zwischen 1782 und 1795 ein, nicht nur für die damalige Zeit, imponierendes Gesamtwerk von zwölf Bänden mit insgesamt 432 farbigen Kupfertafel entstand. Führt man sich dem Umfang dieses Mammutwerkes vor Augen, so wird rasch klar, dass Bloch es ohne die finanzielle Unterstützung von Freunden und Gönnern niemals hätte in Druck geben können. Während die heimischen Fischarten in beinahe fotografischer Schärfe und Vollkommenheit abgebildet wurden, gelang dies bei den Kupfertafeln in der 1786 erschienen „Naturgeschichte der ausländischen Fische“ nicht, was daran lag, dass Bloch die teils exotischen Fische niemals frisch oder gar lebendig zu Gesicht bekommen hatte. Er musste sich – und dies war damals bereits eine gewaltige und kostenintensive Angelegenheit – mit in Spiritus eingelegten Exemplaren begnügen, welch im Glas ihre natürlichen Farben verloren bzw. ausgebleicht waren. Trotz dieser (kleinen) Schönheitsfehler bleibt sein Gesamtwerk nicht nur optisch, sondern vor allem inhaltlich gewaltig. Als einer der ersten Naturkundler Deutschlands erkannte Bloch das Große und Ganze in der Natur; so beispielsweise, dass die Laichzeiten von Raub- und Friedfischen unterschiedlich ausfallen, um das Gleichgewicht in der Natur zu erhalten. Neben seiner Leidenschaft für die Fische sowie seinen bahnbrechenden Leistungen für die Ichthyologie sind es vor allem die detaillierten und künstlerisch auf höchstem Niveau gestochenen Kupfertafeln von heimischen und exotischen Fischen, die Blochs Werk und Lebensleistung bis heute wertvoll machen.

Zum Beitragsbild: Es zeigt eine Goldschleie aus Blochs Werk „Naturgeschichte der Fische Deutschlands“. 

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