Faszinierende Minibojen. Die Geschichte der Posen
Spinnköder sind kleine Kunstwerke deren Fängigkeit und Design in Anglerkreisen heiß diskutiert werden. Dass es bei den Formen und Farben von Posen lange ähnliche Philosophien gab, droht hingegen in Vergessenheit zu geraten.
„Der Schwimmer bietet einen wunderschönen Anblick; der abtauchende Schwimmer einen noch schöneren“. So lautet ein alter Anglerkalauer, dessen Ursprung im Laufe der Jahrhunderte vielen berühmten Petrijüngern in den Mund gelegt wurde, von dem jedoch niemand weiß, von wem er stammt. Jeder Stipper und wohl auch (fast) jeder Posensammler wird diese Aussage jedoch unterschreiben können, denn von Schwimmern geht eine ganz eigene und Nichtanglern unvermittelbare Faszination aus. Waren es bis zur Erfindung moderner und leichter Kunststoffe Mitte des 20. Jahrhunderts vor allem Kork, Holz, Federkiele sowie die berühmten Stachelschweinborsten, aus denen Posen gemacht wurden, so kamen in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts so viele Modelle aus den unterschiedlichsten Materialien hinzu, dass selbst gut sortierte Gerätehändler den Überblick verloren.
Besonders auf dem Höhepunkt des Wettangelns in den 1980er Jahren nahmen die Posenformen immer bizarrere Gestalten an. Doch sollte man nicht glauben, dass Waggler, Float Sticks, Wasserkugeln, Leuchtposen usw. Ausgeburten unserer Tage seien. Schon im 18. Jahrhundert wusste der englische Arzt und Angelbuchautor Richard Brookes zwischen zahlreichen Schwimmerformen zu unterscheiden und erläuterte das für jede Zielfischart passende Muster 1740 in seinem Klassiker „.The Art of Angling“. So empfahl er z.B. für das (selbstverständlich rollenlose) Angeln auf Karpfen: „Bei diesem sollte die Leine um zwei oder drei Fuß länger als die Rute sein. Wichtig ist, dass das Blei, welches die Pose ausbalanciert, weder so schwer ist, dass es den Korken oder Schwimmer in die Tiefe zieht, noch so leicht, dass es die Bisse nicht erkennbar macht. Bedenke: Die Pose ist der einzige Signalgeber eines Bisses. In Flüssen wird es am besten sein, einen Korken [Flaschenkorken] zu verwenden, aber in stehendem Wasser kann ein Federkiel gut genug sein.“
Siegeszug im 19 Jahrhundert
Zwar wurden Schwimmer wohl schon in der Steinzeit als Bissanzeiger benutzt, doch verzichteten mit dem Aufkommen des Sportfischens im hohen Mittelalter immer mehr Petrijünger auf diesen Klassiker und fischten lieber mit Federhaken (frühen Kunstfliegen) oder mit Grundbleimontagen.
Erst im 19. Jahrhunderts besann man sich wieder auf den Gebrauch dieser zuverlässigen Bissanzeiger, sodass sie ab den 1850er Jahren in vielen deutschen Krimskramsläden erhältlich waren. Wie Sonntagsangler Schwimmer an einfachen Angelmontagen einzusetzen hatte, konnten sie damals sogar im „Illustrierten Haus- und Familienlexikon“ von 1860 nachlesen; dort heißt es: „Manche Fische nehmen den Köder nur vom Grunde, wie z.B. der Karpfen, die Schleihe, die Barbe usw., andere in der Mitte oder etwas höher oder tiefer, wie der Barsch, die Forelle, der Weißfisch usw., daher auch der Angler die Höhe des Schwimmers je nach der Fischart, die er fangen will, regulieren muß.“
Profis hingegen hatten für das Angeln in den damals modernen und aus England stammenden Thames-, Southern- oder Nottinghamstilen weitaus höhere Ansprüche und mussten sich auch in Deutschland bei Experten in die Materie einlesen. Die knappste und zugleich erschöpfenden Definition des Begriffes Schwimmer fanden sie im 1862 erschienenen Werk „Vollständiges Handbuch der feinen Angelkunst“ aus der Feder Franz Ludwig Hermann d`Alquen: dieser erläuterte: „Der Schwimmer ist ein Apparat, welcher den unteren Theil der Angelschnur mit dem beköderten Haken im Wasser und zwar in jeder wünschenswerthen erforderlichen Tiefe schwebend halten soll, und dessen Bewegung zu gleichen Zeit dem Angler anzeigen soll, ob ein Fisch angebissen hat. Er bietet also für viele Fischmethoden einen wesentlichen Theil des Angelgeräths.“
Schwimmerhandwerk
Vor der Einrichtung der ersten echten Fachgeschäfte in den 1840er Jahren (wie z.B. Hildebrand in München und Waitz in Hamburg ) waren Anhänger der feinen Angelkunst nach wie vor auf ihre handwerkliches Fähigkeiten angewiesen. Geschickte Angler waren gegenüber Petrijüngern mit zwei linken Händen klar im Vorteil, wenn es darum ging, sich seine Schwimmer selbst zu fertigen. Wie dies zu geschehen hatte, beschrieb Johann Eberhard Hochberg in seinem 1812 erschienenen Buch „Der österreichische Angelfischer“: „Der Schwimmer kann aus Pantoffel, Linden oder anderem leichten Holz, Federkielen oder Stachelscheinborsten gefertigt werden. Je dichter oder je weniger poros das Pantoffelholz ist, desto schöner lässt es sich durch die Raspel, und zuletzt eine Vorfeile, abrunden. Ich schneide dasselbe mittels eines sehr scharfen Messers oder eine Säge in 1,5 Zoll lange oder kürzere viereckige Stücke, so dick als der Schwimmer werden soll, bohre mit einem glühenden Draht, oder zugespitztem 4 oder 5 eckigen Eisen (Reibahle) der Länge nach ein Loch durch und passe einen mit zwei Kontraktschnitten von seiner Fahne getrennten Gänsekiel so fest ein.“ Dass man auch damals schon auf eine von zu grellen Farben ausgehende Scheuchwirkung zu achten hatte, erfuhren seine Leser einige Zeilen weiter: „Wer mit dem Lackieren umzugehen weiß, kann ihn nach Belieben mahlen und lackieren. Ich widerrathe aber den rothen Lack, dessen man sich höchstens nur oberhalb, und da nur sehr sparsam, bedienen kann.“
Dass man es aber auch viel einfacher halten konnte und dabei noch eine Menge Spaß zu erleben wusste, berichtete der weitgereiste Baron von Ehrenkreutz in den 1840er Jahren über seine britischen Angelfreunde, die aufgepustete Hammelblasen als Hechtschwimmer verwendeten: „Die Engländer geben den Blasen verschiedene Farben und machen Wetten, daß sich ein Hecht eher an dieser als jener farbigen Blase fange.“
Zum Beitragsbild: Unterschiedliche Posen auf einer Abbildung eines französischen Magazins aus dem Jahre 1901.