Schnell und kinderleicht. Rotaugen nach Art der Hilfsschüler
Der merkwürdige Name dieses einfachen Fischgerichts hat eine tragische Geschichte: Im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert landeten junge Männer, die sich dem strengen und militaristischen Erziehungssystem der Kaiserzeit nicht beugen wollten, und daher als Schwachsinnige oder Idioten diffamiert sowie ausgegrenzt wurden, in sogenannten Hilfsschulen. Viele dieser Einrichtungen lagen fernab der Städte auf dem „platten“, nord- und ostdeutschen Lande. In ihnen herrschte eine gnadenlose, militärischer Zucht mit entsprechend karger Verpflegung. Um diese schlechte, abwechslungsarme und magere Kost etwas aufzubessern, griffen die jungen Leute zu allerhand Tricks und Selbsthilfen. Im Sommer angelten sie sich ihr Zubrot aus den Seen und Teichen, welche oft in der Nachbarschaft der Hilfsschulen lagen. Bei der Beschaffung der wenigen Zutaten für die nach ihnen benannten Rotaugen (Salz, Pfeffer und Butter) gingen die Hilfsschüler das Risiko ein, erwischt und mit körperlichen Züchtigungen bestraft zu werden, sodass das Rezept auch den scherzhaften Beinamen „Rotaugen mit zweierlei Ruten“ erhielt.*
Zutaten für etwa 500 Gramm Rotaugen (vier Fische)
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100 Gramm gute Butter
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Frisch gepflückte Brennnesselblätter
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Salz, Pfeffer
Die Rotaugen (es gehen ebenso gut Rotfedern, Brassen, Karauschen oder andere Cypriniden) schuppen, ausnehmen und gut abwaschen. Danach mit mit Salz und Pfeffer von innen und außen würzen, und in die zuvor gewaschenen Brennnesselblätter einschlagen. Die so entstandenen Päckchen werden auf der Glut eines heruntergebrannten Lagerfeuers etwa 15 bis 20 Minuten gegart. Zuletzt kann etwas Butter auf den Fisch gegeben werden, Da wir als moderne Outdoorköche nicht mehr unter der Knute wilhelminischer Lehr- und Erziehungskräfte stehen, sollten wir zu diesem leckeren und urwürzigen Lagerfeueressen ein Bier (natürlich direkt aus der Flasche) trinken.
*Erzählt wurde mir diese Geschichte von meinem Freund und Kunstlehrer Männe Arrissen.