Maden und Gummibärchen. Angeln mit Kindern
Smartphone, PlayStation, Tiktok und Instagram; die Liste der Freizeitbeschäftigungen unserer Jüngsten ist lang und kaum ein älteres Semester wird müde, diese Stubenhocker-Hobbys zu beklagen. Interessieren sich Kinder heute überhaupt noch für die Natur und das Angeln? Ja, sagt unser Autor Markus Bötefür und nimmt Jungen und Mädchen mit ans Gewässer.
Oskar und Anne wohnen im Nachbarhaus, beide gehen in die zweite Klasse und sind das, was man richtige Stadtkinder nennen könnte. Als sie vor ein paar Monaten zwischen allerhand Krimskrams auch einen präparierten Hechtschädel in meinem als Kuriositätenkabinett getarnten Büro entdeckt haben, stand für sie augenblicklich fest, dass ein solches Ungeheuer auch bald an ihrem Angelhaken zappeln würde. Ein vergilbter Zettel auf der Rückseite der Trophäe rief mir in Erinnerung, dass ich als stolzer Fänger damals knapp 13 Jahre alt war und mir wurde klar, dass Anna und Oskar längst alt genug fürs Angeln wären. Für uns drei stand unwiderruflich fest, dass der kommende Samstag unser erster gemeinsamer Angeltag werden sollte.
Vorbereitung ist alles
Als Bewohner Nordrhein-Westfalens habe ich das Glück, überall dort, wo ich Inhaber eines Angelscheines bin, auch Kinder unter zehn Jahren unter meiner Aufsicht fischen zu lassen, und so konnte ich ohne zu zögern mit den Vorbereitungen fürs erste Angeln beginnen. Natürlich musste es für meine jungen Einsteiger in den Angelsport nicht beim ersten Mal gleich auf Hechte gehen, aber ich hatte mir fest vorgenommen, dass wir auf keinen Fall als Schneider heimkehren würden, denn für Kinder ist Angeln ohne Fische wie Fußball ohne Tor. Für unsere Angeltour fiel meine Wahl deshalb auf einen flachen Seitenarm der Ruhr, der zwar eher an einen etwas breiteren Forellenbach erinnert, dafür aber zwei übersehbare Vorteile aufweist: erstens wimmelt es in ihm von Grundeln, Kaulbarschen und Lauben und zweitens liegt er nur knapp einen Kilometer von unserer Haustüre entfernt, sodass wir im Falle plötzlich auftretenden Heimwehs im Ruckzuck wieder zu Hause sein würden.
In der Hoffnung, meine beiden Angeldebütanten im wahrsten Sinne des Wortes bei der Stange zu halten, entschied ich mich für zwei leichte unberingte Stippruten, die ich ansonsten für den Fang von Köderfischen verwende. Die drei Meter-Ruten sind für Kinderhände nicht zu schwer, in den Sommermonaten lang genug, um die Fanggründe entlang der Uferbefestigung zu erreichen und bieten mit ihren knapp drei Metern Schnur jedem frischberufenen Angellehrer den unschätzbaren Vorteil, keinen allzu großen Schnursalat befürchten zu müssen. Damit wir unsere Beute unbeschadet in ihr nasses Element zurücksetzen konnten, hatte ich die Widerhaken der 14er-Goldhäkchen bereits daheim mittels einer Zange angedrückt und sie so in Schonhaken verwandelt, was sie ganz nebenbei auch kindersicher machte. Beködert wurden sie mit Maden. Mit dieser Köderwahl stand ich auch gleich vor der ersten pädagogischen Bewährungsprobe, denn nun hieß es, die beiden Stadtkinder bei der Überwindung ihrer Ekelhürde zu unterstützen. Zu meiner Überraschung ging dies jedoch problemloser als erwartet, denn die krabbelnde und zuckende Masse weißer Larven erweckte im Nu Annes Neugierde und für Oskar war es sonnenklar, dass Tierchen, die ein Mädchen nicht schrecken können für ihn erst recht nichts Ekelhaftes an sich haben. Mit einer Hand in der Madendose und der anderen in der Gummibärchentüte betasteten die beiden unsere Köder und noch bevor die erste Grundel am Haken zappelte musste ich ihnen in Erinnerung rufen, dass wir nicht zum Madengucken, sondern zum Fischefangen an die Ruhr gezogen waren.
Geduld für knapp zwei Stunden
Nachdem auch das Aufspießen der Maden reibungslos vonstatten ging, war ich mit meiner Ködereinkauf rundum zufrieden, denn neben ihrer Eigenschaft als hochinteressante Zappelwesen sind Fliegenmaden auch wahre Zauberköder, denn mit ihnen kann man einem Gewässer fast die gesamte Palette seiner Fischarten entlocken und so bei Kindern für Spannung und Abwechslung sorgen, schließlich ist für Angeleleven nichts langweiliger als Stillstand oder Routine. Bei unserem ersten Ausflug an die Ruhr fingen wir etwa 15 Fischchen, die wir allesamt in einem Eimer zur eingehenden Begutachtung hälterten und nach etwa zwei Stunden in die Freiheit entließen. Natürlich hätten wir an diesem Sommernachmittag auch 50 Fische fangen können, doch stellte ich nach gut anderthalb Stunden fest, dass die Geduld meiner neuen Angelfreunde sich dem Ende näherte, was wahrscheinlich mit dem Einströmen und der Verarbeitung vielen neuer Eindrücke zusammenhing, aber auch damit, das sie schnellstmöglich nach Hause wollten, denn schließlich mussten die stolzen Fänger ihren Eltern und Geschwistern von Grundeln, Rotfedern und Lauben berichten, aber auch davon, dass Maden gar nicht ekelig sind.
Nach mehr als 20 Angelausflügen warten Anne und Oskar zwar noch immer auf ihren ersten Hecht, doch haben sich zu Grundeln, Kaulbarschen, Lauben, Rotfedern und Gründlingen zwischenzeitlich auch Brassen, Barsche und Aale gesellt. Und ganz nebenbei habe ich mich zu einem passablen Angellehrer entwickelt, auf dessen Erfahrungsschatz neben Anne und Oskar nun auch andere Kinder aus meiner Familie und Nachbarschaft sowie deren Eltern bauen.
Safety First
- Kinder sollten mindestens sechs Jahre alt sein und schwimmen können.
- Wird vom Boot aus gefischt, ist eine Schwimmweste „Pflicht“.
- Tiefe und schnell strömende Gewässer sind nichts fürs Angeln mit Kindern. Wählen Sie für Ihre Ausflüge stehende oder langsam fließende und vor allem flache Gewässer.
- Kinder unter acht Jahren sollten (auch bei der Verwendung von Schonhaken) weder Köder aufstecken, noch Fische abhaken.
- Neben einem vollständigen Satz trockener Textilien gehört auch ein Verbandskasten in den Rucksack.
- Zwei Stunden reichen bei Kindern unter elf Jahren für eine Angeltour völlig aus, danach droht Langeweile.
- Da man das eigene Nervenkostüm nicht überbeanspruchen darf, sollte man nie mehr als zwei Kinder gleichzeitig mit zum Angeln nehmen.
Was sagen die Gesetzgeber?
Anders als in vielen anderen europäischen Staaten, in denen Kinder unbehelligt angeln dürfen, sehen die Gesetzgeber von Bundesland zu Bundesland unterschiedliche Regelungen vor. In fast allen Bundesländern gibt es einen Jugendfischereischein (ohne Prüfung), der es Kindern in Begleitung von erwachsenen Fischereischeininhabern gestattet, zu angeln. Im einzelnen sieht es in Deutschland so aus:
Im Saarland kann das Angeln bereits vom Kinderwagen aus beginnen, denn hier gibt es für den Jugendfischereischein keine Altersgrenze nach unten.
In Brandenburg erhalten Kinder und Jugendliche ab dem achten Lebensjahr einen Jugendfischereischein, der nur zum Friedfischangeln berechtigt. Begleitung durch erwachsene Fischereischeininhaber ist nicht nötig.
In Rheinland-Pfalz dürfen Kinder und Jugendliche ab dem siebten Lebensjahr den Jugendfischereischein erwerben. Er erlaubt ihnen im Beisein eines Fischereischeininhabers (muss nicht volljährig sein!) zu angeln.
In Mecklenburg-Vorpommern gibt keinen Jugendfischereischein. Ab einem Alter von zehn Jahren können Kinder die Fischereischeinprüfung ablegen und dürfen danach ohne Auflagen angeln.
In Baden-Württemberg können Kinder unter zehn Jahren durch einen volljährigen Fischereischeininhaber ans Angeln herangeführt werden.
Auch in Bayern können Kinder unter zehn Jahren durch einen volljährigen Fischereischeininhaber ans Angeln herangeführt werden. Ab dem zehnten Lebensjahr dürfen sie einen Jugendfischereischein erwerben.
In Hessen und Nordrhein-Westfalen kann der Jugendfischereischein von Kindern und Jugendlichen zwischen zehn und 16 Jahren ohne vorherige Prüfung erworben werden.
In Sachsen dürfen Kinder unter zehn Jahren nur unter Aufsicht volljähriger Fischereischeininhaber angeln. Den Jugendfischereischein gibt es ab zehn.
In Bremen gibt es keinen Jugendfischereischein. Jugendliche unter 14 Jahren dürfen nur in Begleitung eines Fischereischeininhabers angeln.
Auch in Schleswig-Holstein gibt es keinen Jugendfischereischein. Unter zwölf Jahren ist das Angeln unter Aufsicht eines volljährigen Fischereischeininhabers erlaubt. Der reguläre Fischereischein kann ab dem zwölften Lebensjahr erworben werden.
In Sachsen-Anhalt müssen Kinder zwischen acht und Jugendliche bis 18 Jahr nur nach bestandener Prüfung (kindgerechte Fragen zum Angeln und zur Waidgerechtigkeit) einen Jugendfischereischein erwerben. Dieser erlaubt ihnen dann ohne weitere Auflagen das Angeln auf Friedfische.
In Thüringen dürfen Kinder unter zehn Jahren in Begleitung eines volljährigen Fischereischeininhabers angeln. Sie dürfen die gefangenen Fisch allerdings weder selbst vom Haken lösen noch töten.
In Berlin dürfen Kinder unter zwölf Jahren nur unter Anleitung eines volljährigen Fischereischeininhabers angeln.
Sehr bürokratisch geht es in Niedersachen zu. Dort gibt keinen Jugendfischereischein. Bis zum 14. Lebensjahr (Kinderausweis ist mitzuführen!) dürfen Jugendliche nur zur Vorbereitung auf die Fischerprüfung und unter Aufsicht geeigneter Personen angeln.
Äußerst kinderfeindlich sieht es in Hamburg aus; dort werden keine Jugendfischereischeine ausgestellt und Kindern unter zwölf Jahren ist Angeln generell verboten. Ab dem zwölften Lebensjahr kann dann die Prüfung für den regulären Fischereischein abgelegt werden.
Auf keinen Fall!
Meiner Erfahrung nach eignen sich kommerzielle Angelseen (Forellenteiche) nicht dazu, Kinder ans Sportfischen zu führen, denn die große Anzahl von Anglern, der zumeist hässliche Anblick der künstlichen Gewässer sowie der dort vorherrschende Wettbewerbscharakter, hat wenig mit dem Wesen unseres Sports gemein. Hinzu kommt der Umstand, dass an solchen Anlagen sämtliche Fische getötet und „am Fließband“ zerwirkt werden, was auf manche Kinder schockierend wirken kann und somit völlig kontraproduktiv ist.
Zum Beitragsbild: Es müssen keineswegs größere Fische sein, die den Funken der Angelfreuden überspringen lassen. Die Grundelplage der letzten Jahre ist fürs Angeln mit Kindern ein pädagogischer Segen.