Mit Äxten, Hämmern und Knüppeln. Eisangeln im 19. Jahrhundert
Eisangelns ist bei uns schon fast in Vergessenheit geratenen. Dass diese Angelmethode einst aus der Not geboren wurde, wissen nicht mehr viele Petrijünger.
„Der December ist in Norddeutschen Seen die beste Zeit, unter dem Eise, an den Gelegen Hechte zu angeln. Auch Plötzen werden unter dem Eise gefangen.“ Sucht man in älterer Angelliteratur nach Informationen über das winterliche Sportfischen, so muss man sich mit solch knappen Erwähnungen wie der hier zitierten aus dem „Taschenbuch der Angelfischerei“ von 1868 begnügen. Über Methoden, Montagen und Köder erfährt man von den Verfassern klassischer Angelbücher (Baron von Ehrenkreutz, Max von dem Borne etc.) nicht viel. Es wäre aber voreilig anzunehmen, dass unsere Ur- und Ururgroßväter die Fische im Winter weitestgehend in Ruhe gelassen hätten. Forscht man nämlich nach Eisfischen statt Eisangeln, so findet man in Bibliotheken und Archiven eine Fülle recht unterschiedlicher Quellen. Zumeist sind es schriftlich fixierte Verbote und Einschränkungen, die den Fischfang unter dem Eis entweder zum Schutz der Bestände oder zur Vermeidung von Unfällen reglementierten. Neben diesen Verordnungen, sind es vor allem Reiseberichte, die Auskunft über den Fischfang unter dicken Eisdecken liefern. Im 1801 auf Deutsch erschienenen Reisebericht des Italieners Giuseppe Acerbi, der in den Jahren 1798 und 1799 Skandinavien bis zum Nordkap durchquert hatte, heißt es über die bis heute legendäre Methode des Dröhnens: „Jagd und Fischerei sind Beschäftigungen der Finnländer für den Winter. […] Eine Art unter dem Eise zu fischen, kam mir sehr seltsam vor; sie fangen nämlich Fische vermittelst eines Schlages mit einem Hammer oder einem großen Knüppel. Wenn im Herbst die Flüsse anfangen zuzufrieren, so geben die Fischer an den Ufern derselben hin und her, und sobald sie einen Fisch unter dem Eise an einer etwas seichten Stelle ansichtig werden, so thun sie mit aller Gewalt senkrecht über den Fische einen Schlag mit einem hölzernen Hammer auf das Eis , so daß es entzwei springt. Der Fisch wird durch den Schlag, der sich ihm durch das Wasser hindurch mittheilt, ganz betäubt und kommt nach einigen Sekunden taumelnd auf die Oberfläche herauf, wo der Fischer ihn mit einem besonders dazu eingerichteten Instrumente ergreift und herauszieht.“
Puppen über Eislöchern
Dass eine solche Art der Fischerei in Mitteleuropa zwar bekannt war, aber nur selten ausgeübt werden durfte, belegen die vielen Gesetzestexte, in denen das „Hechte Dröhnen“ untersagt wurde. Statt sich der Gefahr auszusetzen, selbst in ein Eisloch zu stürzen, bevorzugten deutsche Fischer und Angler dass Roll- oder Puppenangeln. Wie eine solche Montage auszusehen hatte, erfuhr man 1887 nicht etwa aus einem Angelbuch, sondern aus dem „Handbuch der Forstwissenschaft“ dort heißt es: Die Rollangel besteht aus einem leichten Schwimmer (Puppe, Aalpuppe) von Holz oder gewöhnlich von fest zusammengeschnürtem Schilf. (ca. 25 cm lang und 4 cm dick), voran 12 bis 20 Meter lange Angelschnur befestigt und aufgewickelt ist. Der Haken wird mit einem Fisch, Fischstück oder Wurm besteckt und dann so viel von der Schnur abgewickelt, daß der Köder eben den Grund erreicht. […] Beim Fischen im Winter unter dem Eise (Eisangel) ist die Puppe ein Stück hartes Rundholz von 4 bis 5 cm Durchmesser und 12 cm Länge, welches mit der aufgewickelten Schnur so über ein ins Eis gehauene Loch gelegt wird, daß sich die Schnur leicht abrollt, wenn der Fisch gebissen hat und fortschwimmt. Da bei dieser Fischerei hauptsächlich Hechte gefangen werden, so muß die Angel (Doppelhaken) an einem Vorfach von gedrehtem Messingdraht befestigt werden. Man benutzt als Köder ein lebendes Fischchen und wickelt nur so viel Schnur von der Puppe ab, daß der Köderfisch sich etwa in ½ bis ¾ m unter der Wasseroberfläche befindet.“
Eisangeln in Kanada (Cover des Pariser Magazins La Croix vom März 1908)
Vorreiter Amerika
Während man in Europa das Eisfischen mit Rollangeln hauptsächlich zum Nahrungserwerb betrieb, hatten die US-Amerikaner und Kanadier bereits Ende des 19. Jahrhunderts den sportlichen Wert des Eisangelns erkannt, sodass diese Angelmethode in den wohlhabenden Staaten an der Ostküste zu einem der beliebtesten winterlichen Vergnügungen zählte. Die dazu nötige Technik hatten sich die Bewohner Maines, Quebecs und Ontarios von den indianischen Ureinwohnern abgeschaut, die es meisterhaft verstanden, die reichen Fischbeständen unter den oft fast meterdicken Eisdecken mit einfachsten Mitteln zu beangeln. Der englische Forscher Frederick Whymper musste 1869 neidlos anerkennen, dass der „Weiße Mann“ den Indianern Nordamerikas in Sachen Angeln und Fischfang nichts beibringen konnte: „Häufig waren wir Augenzeugen, daß die Indianer dieses Dorfes Löcher ins Eis schlugen und eine kleine Art von Weißfischen in Menge fischten. Wenn wir ihnen Angelhaken schenkten, so pflegten sie die Widerhaken abzuschlagen. Es wurde ihnen so leicht, Fische zu fangen, daß ihnen nichts darauf ankam, wenn auch einige von der Angel wieder loskamen. Unwillkürlich musste ich an die geduldigen Angler unserer englischen Bäche denken, die den lieben langen Tag brauchen, um den zehnten Teil der Fische zu fangen, die ein Indianer hier in derselben Zeit erbeutet, und konnte mich des Schlusses nicht erwehren, dass die Rothäute die Sache am Ende doch besser verstehen.“ Angesichts dieses Fischreichtums ist es nicht verwunderlich, dass sich in weiten Teilen der US-amerikanischen und kanadischen Ostküste schon im 19. Jahrhundert eine sportfischereiliche Eisangelinfrastruktur entwickelte, die verweichlichten „Bleichgesichtern“ mancherorts sogar transportable Hütten bot, die direkt über dem Eisloch für Komfort und moderate Temperaturen boten. Von soviel Luxus konnten die Angler in der alten Welt nur träumen.
Zum Beitragsbild: Seeforelle auf dem Eis. (Foto Bernd Taller)