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Rapala Wobbler – Aus der Not geborene Klassiker

Seit Jahrzehnten sind die finnischen Holzfischchen aus den Boxen der Spinnfischer nicht mehr wegzudenken. Fast jeder schätzt Rapalas, doch nur kaum jemand kennt die Umstände ihrer Entwicklung, die rein gar nichts mit Sportangelei zu tun haben.

In vielen Ländern ist der Name Rapala zum Synonym für Wobbler schlechthin geworden, dabei ist dem Erfinder und Namensgeber der legendären Köder nicht einmal ein Familiennamen mit auf den schweren Lebensweg gegeben worden. Als Lauri Rapala 1905 in einem kleinen finnischen Dorf geboren wurde, versäumte es der Pfarrer, seinen Familiennamen ins Taufregister einzutragen, weshalb er zeitlebens den Ortsnamen seines Geburtsdorfes trug. Der Junge bekam nie die Möglichkeit, eine Schule von innen zu sehen und musste sich schon früh als Waldarbeiter durchs Leben schlagen.
Ende der 20er Jahre beschloss er, Berufsfischer zu werden, um sich und seine Familie durch die harte Zeit der Weltwirtschaftskrise zu bringen. Wie damals üblich, fischte er von einem Ruderboot aus mit Langleinen, an denen lebende Fischchen als Köder angeboten wurden. Um sich das Geld für diese Köder zu sparen, begann Lauri damit, Kunstköder zu entwickeln, die er zum Schleppen benutzte. Zu Anfang waren es einfache Wobbler aus Kork bzw. Holz, wie sie schon seit Jahrhunderten von den Samen, den Ureinwohnern Nordskandinaviens, benutzt wurden. Zwar hatte er damit bescheidene Erfolge, doch gefiel ihm der Lauf dieser alles andere als perfekten Schleppköder ganz und gar nicht, denn er hatte im glasklaren Wasser der Seen beobachtet, dass die Raubfische, hauptsächlich Barsche und Hechte, stets die schwächsten und auffälligsten Kleinfische aus einem Schwarm schlugen. Die Bewegungen dieser kranken und geschwächten Jungfische versuchte Lauri mit seinen Kunstködern möglichst perfekt zu imitieren. Seine schlanken Wobbler versah er daher mit einer Tauchschaufel aus Metall und versuchte ihnen auch optische Reize zu verleihen. Zwar hatte er viele Ideen, doch aufgrund seiner Armut fehlte es ihm an den einfachsten Materialien, um seine Kunstköderexperimente fortzusetzen.

Fotonegative und Schokoladenpapier

Erste Hilfe erhielt er von Nachbarn, die ihn mit dem Silberpapier von Käse- und Schokoladenverpackungen versorgten, mit denen er in Ermanglung von Farbe seine Holzwobbler beklebte. Mit diesen Silberfischchen schleppte er nun tagein tagaus und hatte beachtliche Erfolge. Allerdings wurden seine Köder recht schnell von den scharfen Raubfischzähnen zerstört, sodass Lauri beinahe jeden Abend neue Wobbler schnitzen musste. Erst als er die Bekanntschaft eines Fotografen machte, der ihn mit ausgedientem Negativmaterial versorgte, hatte er das Stabilitätsproblem seiner Wobbler so einfach wie genial gelöst: Er schmolz die Filme ein und gewann so eine dünne aufstreichbare Masse, die als Außenhaut der Wobbler fungierte und diese nicht nur stabil und bissfest, sondern auch wasserdicht machte. Der erste mit Fotonegativlack überzogene Rapala Wobbler entstand Mitte der 30er Jahre und machte seinen Erfinder recht bald zu einer lokalen Berühmtheit, denn der „Ur-Rapala“ war allen damals gängigen Kunstködern, aber auch lebenden und toten Köderfischen, haushoch überlegen.

Der weltweite Erfolg

Mitte der 40er Jahre wurde die lokale Nachfrage unter Berufs- und Sportfischern so groß, dass Lauri das Fischen aufgab und sich nur noch mit dem Bau und Verkauf seiner Wobbler befasste. Zu Beginn der 50er Jahre waren seine Wobbler in ganz Finnland so begehrt, dass ihr Erfinder Helfer anlernen musste, die ihn beim Bau der Köder unterstützten, die nun sogar in den Warenhäusern Helsinkis verkauft wurden.
Als schließlich amerikanische Touristen während der Olympischen Spiele 1952 die ersten Rapalas aus Helsinki in die USA mitbrachten, war der weltweite Erfolg dieses Kunstködertyps in Gang gesetzt. Und spätestens als 1962 ein angelverrückter Redakteur des Magazins Life seinen Chef davon überzeugen konnte, einen Beitrag über Rapala Wobbler ins Heft aufzunehmen, wusste ganz Amerika, wer der eigenwillige Finne war, denn der Artikel erschien ausgerechnet in jener Ausgabe, die Marilyn Monroe auf dem Cover zeigte und ihren rätselhaften Tod verkündete.
Über die USA traten die Wobbler dann ihren weltweiten Siegeszug an und machten aus der bescheidenen Werkstatt in der finnischen Provinz ein Mekka des Kunstköderbaus. Rapala verstarb 1974 als wohlhabender Mann und wird heute mit anderen berühmten Anglern wie Ernest Hemingway und Charles Ritz in einem Atemzug genannt.

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