Der Traum vom Schwarzbarsch-Eldorado.
Seit ein paar Monaten machen in der Havel gefangene Forellenbarsche von sich reden und schüren die Angst vor einer weiteren invasiven Fischart. Vor rund 140 Jahren sahen eingefleischte Fliegenfischer dies völlig anders. Unser Angelhistoriker Dr. Markus Bötefür erinnert an an einen (fast) vergessenen Besatzversuch.
„Kein anderer Fisch übertrifft den Black Bass an Kühnheit beim Anbeißen und an Energie, mit der er sich wehrt, wenn er gehackt. Er hat die pfeilschnelle Bewegung der Forelle, die Unermüdlichkeit und die kühnen Luftsprünge des Lachses und außerdem eine ihm ganz eigentümliche Fechtweise. Er nimmt die künstliche Fliege ausgezeichnet und kann mit allen möglichen Arten von natürlichen und künstlichen Ködern gefangen werden.“ Mit diesen Worten charakterisierte Max von dem Borne 1892 den wohl beliebtesten Sportfisch Nordamerikas und versuchte zugleich, ihn europäischen Fliegenfischern schmackhaft zu machen. Ganz uneigennützig hatte der Altmeister der deutschen Angelsportliteratur diese Zeilen nicht zu Papier gebracht, denn nach seinem gelungenen Coup, 1879 aus Amerika importierte Regenbogenforellen in heimischen Gewässern anzusiedeln, hatte er nun zwei weitere Fischarten ins Visier genommen. Dass diese Idee kein bloßer Spleen war, stand auch für seine Zeitgenossen außer Frage, denn von dem Borne war nicht nur als Angelfachmann, sondern auch als Fischzuchtexperte ein erfolgreicher Autodidakt. Schon in den 1870er Jahren hatte der gelernte Bergbauingenieur einen der ersten funktionstüchtigen Fischaufzucht-Apparate erfunden, diesen patentieren lassen und ihn erfolgreich in ganz Europa vermarktet. Außerdem war es ihm gelungen, neben Regenbogenforellen auch Sonnenbarsche und Katzenwelse aus Amerika zu importieren und die beiden letztgenannten Arten als Aquarienfische in Deutschland zu züchten.
Als im Februar 1883 sieben amerikanische Schwarz- und 45 Forellenbarsche unbeschadet auf seinem Gutshof im westpreußischen Berneuchen eintrafen, erhofften er und seine Freunde sich einen Quantensprung für das Fliegenfischen in Deutschland. Die Vorfreude war keinesfalls unbegründet, denn in den USA fanden sich beide Arten in fast jedem Gewässer. Von dem Borne frohlockte: „Die Zählebigkeit des Black Basses ist größer wie die seiner deutschen Verwandten, des Barsches und des Zanders; er kann ohne Schwierigkeiten weithin versandt werden. Von dem Karpfen wird er allerdings in dieser Beziehung übertroffen. Er führt den Kampf um’s Dasein mit Erfolg gegen andere Fischarten, mit welchen er in Concurrenz tritt, und er behauptet sogar dem Hecht gegenüber seinen Platz.“
Max von dem Borne (links) an einem seiner Fischbrutapparate.
Die Bedingungen auf dem rund 80 Kilometer östlich von Berlin gelegenen Musterbetrieb schienen ebenfalls ideal. Das 60 Hektar große Gelände verfügte über knapp 50 Teiche und wurde auf einer Länge von zehn Kilometern vom Flüsschen Mietzel durchflossen; es verfügte weiter über fünf natürliche Seen, die Max von dem Borne gern experimentell mit unterschiedlichen Exoten besetze. Dem Erfolg stand augenscheinlich nichts mehr im Wege.
Sicherer Transport
Will man den von Max von dem Borne selbst gemachten Angaben glauben, so waren es tatsächlich nur 52 Fische, die im Januar 1883 in New York auf die Reise geschickt wurden. Und tatsächlich war der Umstand, dass alle den Transport über den Atlantik heil überstanden haben, Ende des 19. Jahrhunderts nicht mehr erstaunlich, denn die damals hochmodernen Dampfschiffe verkehrten nach einem ziemlich genauen Fahrplan, sodass man alles für die Überfahrt Nötige sorgfältig planen und umsetzen konnte. In den hellen Laderäumen standen geeignete Transportgefäße mit regelmäßig erneuertem Süßwasser bereit und geschultes Personal kümmerte sich um die Pflege und Versorgung der Fische. Trotz dieser recht fortschrittlichen Transportmöglichkeiten musste aber noch immer eine gewisse Verlustrate einkalkuliert werden, sodass der preußischen Züchter eigentlich lieber mehr Exemplare bestellte hätte. Diesem Wunsch stand jedoch die recht rigide Ein- und Ausfuhrpolitik der US-Regierung entgegen. Allein seinem Ruf als Fischexperte war es zu verdanken, dass ihm überhaupt die Ausfuhr weniger Exemplare gestattet wurde. Wie bescheiden diese Fischlieferung auch in den Ausmaßen der verschifften Tiere ausfiel, wird aus Max von dem Bornes Bericht deutlich. Dort heißt es: „Der Freundschaft des Herrn Spencer [einem US-Fischkundler] habe ich es zu verdanken, dass ich im Februar 1883 aus New York 7 Schwarzbarsche von 25,5 bis 32 cm Länge und 45 Forellenbarsche von 4 bis 14 cm Länge erhielt.“
Fischtransport Ende des 19. Jahrhunderts. Die letzten Kilometer von den Bahnhöfen an die Gewässer und Zuchtanstalten wurden mit Pferdelastwagen zurückgelegt.
Wesentlich problematischer als die Überfahrt erwies sich der letzte Stück der Reise, denn auf der Etappe von der Nordseeküste bis nach Berneuchen zeigte die Eisenbahngesellschaft kein gesteigertes Interesse am komplizierten Transport lebender Fische und wälzte jedes Risiko auf ihre Kunden ab. In einer im Februar 1883, also pünktlich zum Eintreffen der Barsche, erlassenen Verordnung der Eisenbahnen Deutschlands stand zu lesen, dass der Transport von Zander- und Forellenbrut nur unter der Aufsicht einer vom Versender zu bestellenden und zu bezahlenden Begleitperson erfolgen durfte. Diese hatte dafür zu sorgen, dass: „das Wasser in den Transportgefäßen von Zeit zu Zeit erneuert und evtl. mit Eis gekühlt wird, es sich sich nicht über 15 Grad erwärmt und die zu verschickende Fischbrut beim Übergang von einem Zug auf einen anderen nicht vergessen wird, stehen bleibt und infolge von Sauerstoffmangel in den Gefäßen erstickt.“
Max von dem Borne musste die Herzlosigkeit der deutschen Eisenbahn bitter bezahlen. In seinem Bericht schrieb er: „In Folge der anstengenden Reise starb der größte Teil der Fische, und ich hatte im Herbst 1883 nur noch 3 Schwarzbarsche und 10 Forellenbarsche übrig.“
Erste Fangerfolge
Schon im im Frühjahr 1885 laichten dann alle Forellenbarsche ab, so dass es von dem Borne und seinen Mitarbeitern gelang, gut 20.000 Fischeier in sichere Aufzuchtbecken zu retten. Mit den Schwarzbarschen sah es trotz ihres geringen Ausgangsbestandes ähnlich gut aus. Ende der 1880er Jahre konnte Gut Berneuchen ganz Europa mit den Nachkommen der Schwarz und Forellenbarsche beliefern. Die endgültige Etablierung beider in Nordamerika so beliebter Sport- und Speisefischarten schien gelungen. Von dem Borne konnte 1892 rückblickend vermelden: “Dieselben haben seitdem so zahlreiche Nachkommenschaft geliefert, daß ich jetzt den Besitz dieser Fische als gesichert sehen kann.“ Den Mitarbeitern auf Gut Berneuchen müssen Steine von den Herzen gefallen sein, schließlich ging es ihnen nicht allein um den wirtschaftlichen Erfolg, sondern als leidenschaftliche Fliegenfischer auch darum, sich nach der Regenbogenforelle mit einer weiteren neuen und widerstandsfähigen Fischart in deutschen Gewässern beschenkt zu haben. Langfristig sorgte man sich nämlich um den Fortbestand der Bachforellen in den von Industrieabwässern verschmutzten Flüssen und Bächen des Kaiserreichs, sodass man vor allem in den beiden amerikanischen Barscharten würdigen Ersatz für die damals vielerorts bereits bedrohten Salmoniden sah. In seinem Bericht betonte Max von dem Borne: „Da man in Amerika beobachtet, daß die Forelle durch die fortschreitende Kultur mehr und mehr verdrängt wird, während hingegen der Bass auffallend wenig empfindlich ist, so glaubt man, daß letzterer in der Zukunft als Sportfisch die erste Stelle einnehmen wird. Viele sind der Ansicht, daß ihm diese Stelle schon heute gebührt.“
Dass die Barsche als Sportfische nicht umsonst in vorzüglichem Ruf standen, wussten bald auch alle Gäste von Gut Berneuchen. Von dem Bornes Tochter erinnerte sich später an das Glück ihres Vaters mit folgender Notiz: „In den heimatlichen Gewässern übte er mit unermüdlicher Ausdauer die kunstgerechten Würfe mit der Fliege; die von ihm hier eingebürgerten Barscharten, der Schwarzbarsch und der Forellenbarsch, gingen zu seiner Freude sehr gut auf allerlei Arten künstlicher Fliegen. Diese Fliegen hat er mit einer erstaunlichen Geschicklichkeit, Sauberkeit und Genauigkeit zumeist selbst an die Haken gewunden.“ Für den begeisterten Fliegenfischer kam ohnehin kein anderer Köder zur Befischung „seiner“ Arten in Frage. In seinem Buch über Schwarz- und Forellenbarsche schrieb er: „Die künstliche Fliege ist ein ganz ausgezeichneter Köder, es scheint, daß sie der Forellenbarsch noch besser als der Schwarzbarsch nimmt. Es ist am besten, wenn die Fliege und die Schnur durch ein oder zwei große Schrotkörner beschwert ist und daß man mit `versunkener Fliege` fischt. Man läßt die Fliege bis zu der Wassertiefe sinken, wo die Fische stehen, und zieht sie dann mit kurzen Rucken heran. Wenn man einen größeren Schwarm der Barsche trifft, so fängt man oft einen mit jedem Wurfe.“ Wie diese Fliegen auszusehen hatten, erfuhren dies Leser auch von ihm: “Die Fliege sei 25 bis 35 mm lang und habe, wie die englische Lachsfliege, recht glänzende Farben. Besonders wirksam sind gelb, rot schwarz und weiß.“ Überhaupt muss die Vorfreude auf das Heimischwerden der amerikanischen Barsche in allen deutschen Gewässern bei Max von dem Borne riesig gewesen sein, denn zum Fliegenfischen empfahl er seinen Lesern nicht nur die passende Rute, sondern hatte sogar die Lieferadresse parat: „Da die Fliegen schwer sind, so ist eine kurze, steife Fliegenrute erforderlich, ich empfehle vorzugsweise die 3 bis 3,5 Meter lange Stewart`sche Fliegenrute, wie sie bei Heinrich Hildebrand in München (Otto=Straße, Müllerhaus) zu haben ist.“
Max von dem Borne starb bereits zwei Jahre nach seinen Erfolgen als Schwarzbarsch-Fliegenfischer. Dass sich die von ihm so geliebten Fische auf natürlichem Wege in den Gewässern Mitteleuropas nicht vermehren wollten, erlebte er nicht mehr. Seine Versuche waren trotzdem nicht fruchtlos, denn Schwarz- und Forellenbarsche sind heute in vielen Seen und Flüssen Südeuropas eine begehrte Beute für Fliegenfischer.
Who is Who?
Die Namen der beiden von Max von dem Borne in Deutschland eingeführten Barscharten sind recht irreführend. Nordamerikanische Angler unterscheiden Schwarz- und Forellenbarsch allein durch ihre Maulform und nennen den großmäuligen Forellenbarsch Largemouth Bass, während sie den Schwarzbarsch als Smallmouth Bass bezeichnen. Forellenbarsche besiedelten viele Gewässer an der Ostküste der USA. Ihr natürliches Verbreitungsgebiet reichte bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts von Nordost Mexiko bis in die südlichen Bereiche des der kanadischen Staaten Ontario und Quebec. Durch ihre Beliebtheit als Sportfische wurden sie in vielen Gewässern des amerikanischen Kontinents ausgesetzt und sind heute in fast allen US-Bundesstaaten zuhause.
Der Schwarzbarsch auf einer Abbildung aus dem späten 19. Jahrhundert.
Die wohl ursprünglich nur im Erie See beheimateten Schwarzbarsche verbreiteten sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit dem Bau des Erie-Kanals zunächst in vielen Gewässern des Staates New York und später in zahlreichen weiteren Bundesstaaten der USA und Kanadas. Max von dem Bornes Hoffnungen auf eine Ansiedlung dieser wanderfreudigen Fische in Europa waren folglich mehr als begründet.
Der Forellenbarsch: Heute als invasive Art gefürchtet, früher als Bereicherung für Fliegenfischer herbeigesehnt.
Beide Barscharten sind für Ungeübte nicht leicht auseinander zu halten. Der Forellenbarsch (Micropterus salmoides) unterscheidet sich vor allem durch sein bis hinter das Auge reichenden Oberkiefers vom Schwarzbarsch (Micropterus dolomieu). Forellenbarsche werden bedeutend größer als Schwarzbarsche. Der aktuelle Rekordforellenbarsch brachte 11,4 Kilo auf die Waage, während der dickste bislang in den USA gefangene Schwarzbarsch „nur“ gut sechs Kilo wog.