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Unfangbare Giganten. Waller und Störe als Traumfische unserer Großväter

Welse und Störe zählen zu den Riesenfischen und wecken seit jeher Sehnsüchte bei Petrijüngern. Lange galten beide Uriane als unfangbar.

Daß ich über den Fang des Waller oder Welses nichts gesagt, hat seinen guten Grund; ich würde mich wenigstens nicht darüber freuen, wenn ein solcher Koloß, der eine Schwere von 2 Centnern erreichen kann, an meine Angel gebissen, weil ich meine Ruthe zu lieb habe. […] Daß nämliche gilt auch für den gemeinen Stör, der im Rhein nicht selten mit Netzen gefangen wird und bis 5 Centner schwer werden soll. Auch er ist kein Gegenstand für den eigentlichen Angler.“ Mit diesem Nachtrag schloss Franz Ludwig Hermann d’Alquen sein 1862 erschienenes „Vollständiges Handbuch der feinern Angelkunst“. Die Zeilen geben einen Eindruck von der Mutlosigkeit, mit der viele unserer angelnden Vorfahren den beiden europäischen Süßwassergiganten gegenüberstanden. Es wäre allerdings falsch, anzunehmen, dass alle Petrijünger es d’Alquen gleichtaten und vor Großfischen zurückschreckten. Denn Welse zählten schon lange vor Erfindung von Carbonfaserruten und Multirollen zu den Traumfischen und wurden durchaus auch mit Rute und Schnur bezwungen. Allerdings war man noch bis weit in die 1970er Jahre weit davon entfernt, Zentnerwaller zu fangen.

Überschaubare Rekorde

Max von dem Borne, einer der am besten informierten Angelbuchautoren des 19. Jahrhunderts berichtete in seinem 1875 erschienen Werk „Illustriertes Handbuch der Angelfischerei“ über das Angeln auf Waller und einen von Petijüngern gefangenen Rekordfisch: „Junge Welse werden öfter an der Angel gefangen, bei großen ist dies selten der Fall. Im Berlinchenschen See in der Neumark wurde vor einigen Jahren mit einer Barschangel, die mit Mieterkrebs beködert war, ein 25 Pfund schwerer Wels gefangen.“ Dass ein solcher Fang vor fast 150 Jahren einer Sensation gleichkam, ist angesichts des damals verwendeten Gerätes kein Wunder, denn Angelruten waren bis in die 1940er Jahre hinein aus Holz und die stabilsten von ihnen aus robustem Bambus. Auch auf dem Rollenmarkt sah es lange nicht viel besser aus. Zwar gab es von US-amerikanischen Herstellern bereits vor der Jahrhundertwende mit tragfähigen Geflechtschnüren bespulte Haspelrollen, die zum frühen Big-Game-Anglern auf Zackbarsche und Haie verwendet wurden, doch wäre es ein Trugschluss, solch exklusives und teures Gerät auch in den Kähnen europäischer Raubfischangler des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts zu vermuten. Natürlich war man in Europa seit der Antike in der Lage, stabile Haken zu schmieden sowie Schnüre und Taue mit erheblichen Tragkraft herzustellen, doch waren diesen geflochtenen Stricke noch in der Zwischenkriegszeit extrem dick und somit für den Fang der mit empfindlichen Barteln ausgestatteten Waller alles andere als geeignet. Ähnlich unbrauchbar war das Gerät auch zum Angeln auf Störe, denn diese urzeitlichen Knochenfische fraßen auf ihrer Laichwanderung in Elbe, Oder und Rhein ohnehin fast nichts und ernährten sich im Übrigen von Würmern, Schnecken und Kleinstieren, die man an stabilem Gerät nicht anbieten konnte.

Bestaunte Giganten

Statt mit Haken und Leinen wurde den Riesenfischen bei Nacht mit langen und robusten Stellnetzen nachgestellt, wobei zumeist nur ein einziges Exemplar gefangen wurde, das dann von bis zu fünf Fischern ans Flussufer gehoben werden musste. Nach der glücklichen Landung entschied das Geschlecht des Fisches über den Lohn der harten Arbeit, denn nur Rogner waren für die Fischer finanziell lukrativ. Ein Weibchen konnte bis zu 40 Kilo Kaviar produzieren. Um diese kostbaren Eier entnehmen zu können, war es aufgrund fehlender Kühlmöglichkeiten unabdingbar, die Fische erst in den fischverarbeitenden Betrieben zu töten und zu schlachten. Für die Fischer bedeutete dies, dass sie ihre Beute lebend zu ihren Abnehmern transportieren mussten. Auf dem Rhein und auf der Elbe geschah dies, indem man ihnen einen Strick durch Maul und Kiemen zog und sie daran am Heck eines Segelbootes zur Kaviarfabrik schleppte, was bei Drei- bis Fünfzentnerfischen zu einer gefährlichen Angelegenheit wurde. Erst mit der Motorisierung wurde dieser Transport weniger heikel. Allerdings lag die Störfischerei zu dieser Zeit bereits im Sterben. Schon vor dem Ersten Weltkrieg war die Quote der in deutschen Flüssen gefangen Störe so gering, dass jedes gefangenen Tier von der Öffentlichkeit bestaunt wurde. Zu Beginn der 1920er Jahre erhoben die Fischer am Niederrhein ein Besichtigungsgeld in Höhe von einem Pfennig von jedem Erwachsenen, der einen Stör bestaunen wollte. Entscheidend für das Verschwinden der Riesenfische war jedoch nicht etwa Gewässerverunreinigung, sondern die Überfischung, die bereits im Rheindelta begann und sich bis zum Mittelrhein fortsetzte, und so intensive Formen annahm, dass bereits im Jahre 1898 im Regierungsbezirk Düsseldorf den Fischern nur noch neun Exemplare in die Netze gingen. 1916 waren es nur noch vier. Der letzte Stör, der 1923 bei Wesel aus dem Rhein gezogen wurde und die lange Tradition des nächtlichen Fischfangs beendete, wog exakt drei Zentner.

Angesichts eines neuen ökologischen Bewusstseins darf man gespannt auf die Ergebnisse der jüngsten Stör-Rückansiedlungsversuche blicken und hoffen, dass ein zentnerschwerer Brocken vielleicht bald auf den Wurmköder eines Welsanglers hereinfällt.

 

 

 

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