Mehr als Schall und Rauch. Wie Fische zu ihren Namen kamen
Woher Rotaugen und Rotfedern ihre Bezeichnungen haben, bedarf keiner Erklärung. Bei Forellen und Hechten sieht es aber schon ganz anders aus.
Ziege, Rußnase oder Petermännchen. Fische tragen mitunter absonderliche Namen. Gemein ist allen Benennungen, dass sie sich entweder auf das Erscheinungsbild der jeweiligen Art beziehen oder aus ihrem Charakter hergeleitet wurden. Denn nicht anders als bei auf dem Trockenen lebenden Tieren, bieten die Bewohner der Flüsse, Seen und Meere bedingt durch ihr Aussehen und ihre Verhaltensweisen allerhand Projektionsflächen für menschliche Fantasien. Erinnert der Körperbau eines langrückigen Weißfisches an den von kuzhaarigen Bergschafen, so wird schnell klar, warum er Ziege heißt, hat eine Zährte ein schwarzes Maul, so ist ihr Name Rußnase für alle Semester einleuchtend, die sich noch an Kamine und Schornsteinfeger erinnern können. Das Petermännchen muss jedoch historisch erläutert werden, denn der kleine Fisch wurde von niederländisch und plattdeutsch sprechenden Berufsfischern aufgrund seiner gefährlichen Stacheln Pietman getauft, zogen sie es doch vor, ihn gar nicht erst an Bord zu holen, sondern ihm sofort als Opfergabe an ihren Schutzheiligen Petrus die Freiheit zurückzugeben. Aus Pietman wurde Ende des 19. Jahrhunderts dann das Petermännchen. Ist diese Namensgeschichte noch recht putzig, so können andere Storys beinahe in Rufmord übergehen; so zum Beispiel zwei Bezeichnungen für den Gründling. Er wird nämlich in manchen Gegenden Süd- und Südostdeutschlands auch Mannfresser oder Totengräber genannt, weil ihm als am Gewässergrund lebendem Fisch, der sich von lebenden und toten Weichtieren ernährt, unterstellt wurde, sich auch an den Körpern ertrunkener Menschen und Säugetiere zu vergehen.
Der Name Petermännchen erschließt sich nicht von selbst
Unterstellungen und Missverständnisse müssen aber nicht unter allen Umständen dramatisch, gruselig oder unappetitlich sein, was es jedoch nicht einfacher macht, den Ursprüngen ihrer Bezeichnungen auf die Spur zu kommen. Bei einigen Fischarten kann es modernen Ichthyologen nämlich passieren, dass sie auf die falsche Fährte geraten. So hat zum Beispiel der aus dem Mode gekommenen süddeutschen Name Schaden für Waller nichts mit der angeblichen Gefräßigkeit des Welses und dem angedichteten Charakter eines Fischräubers zu tun, sondern wurzelt vielmehr in seinem schmalen und länglichen Erscheinungsbild, das mittelalterliche Betrachter an die Scheide eines Richtschwertes erinnerte. Auch beim Hecht ist es nicht viel einfacher, schließlich wurde er – glaubt man den Volkskundlern – wegen seiner an die Hecheln eines Flachskamms erinnernde Zähne so benannt. Und auch der Lachs kam auf recht merkwürdige Art und Weise zu einem Namen. Bei ihm stand seine Erschöpfung beim anstrengenden Laichaufstieg Pate, denn nach der Eiablage sei er, wie die Gebrüder Grimm herausfanden, lax, also schlapp und kraftlos.
Brachte seine Gefräßigkeit dem Wels auch den „unmissverständlichen“ Namen Schaden ein ? Die Antwort lautet nein!
Sprachgewirr beim Rotauge
Was für Schaden, Hecht und Lachs gilt, muss beim Rotauge und der Rotfeder nicht unbedingt unkomplizierter sein. In vielen Regionen wollten die Menschen es sich auch bei ihrer Namenswahl nicht leicht machen. Der heute im Berliner Raum noch gebräuchliche Name Plötze für das Rotauge leitet sich aus dem Slawischen Plosika ab und bedeutet Plattfisch. In einigen Gegenden Österreichs wurde bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts zwischen Rotaugen und Rotfedern gar kein Unterschied gemacht und beide Fischarten hießen dort Kothaschl, was allerdings nichts mit unserer modernen Bezeichnung „Kot“ für Exkremente zu tun hat, sondern sich auf Schlamm und Erde bezieht, also den Grund der Gewässer. Als oberflächennah lebende Fische wurden in manch österreichischen und bairischen Gefilden Rotfedern auch als Detschn bezeichnet, was sich vom knallenden Geräusch einer Ohrfeige (Taschen) herleitet. In der Schweiz werden Rotauge Furn oder Schwal genannt, während Rotfedern dort Rotten oder Rottelen heißen. Im Wörterbuch der Gebrüder Grimm aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts heißt es zu Benennung beider Fischarten: „Die Schwalen sind bey uns bekandte Fische. Allein zu merken ist, daß sie bei etlichen Orthen nach dem Alter und Jahren, andere und andere Namen bekommen: als nemlich zu Lindau am Bodensee nennen sie solche im ersten Jahre Fornfisch, im anderen ein Gnit, im dritten ein Furn. etliche nennen sie im ersten Jahr, Blieck, oder Rotäuglin. im andern Jar, Fürling: demnach Furn oder Schwaal.“
Rotauge bzw. Plötze, Vor allen Weißfischarten tragen zahlreiche lokale Namen.
Ein Wortstamm beim Karpfen
Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die so vielseitig gerufenen Rotaugen und Rotfedern zu den Cypriniden zählen, der Karpfen als namensgebender Stammvater dieser Ordnung jedoch mit nur einem Namen auskommen muss, der zudem in allen europäischen Sprachen sehr ähnlich klingt: Carp (englisch), carpe (französisch), carpa (italienisch, spanisch, portugiesisch), karper (niederländisch), karp (schwedisch, polnisch, russisch). Wahrscheinlich stammt dieser „Urname“ aus einer der slawischen Sprachen, wurde von germanischen Stämmen und später dann auch von den Römern übernommen. Der lateinische Name carpa wurde später zum Artnamen carpio und ist erstmals im Werk des spätantiken Gelehrten Cassiodorus aus dem sechsten Jahrhundert belegt. Es ist zu vermuten, dass die Beliebtheit von Karpfen als Fastenspeise der lateinisch sprechenden Mönche für seine relative Namensgleichheit in ganz Europa verantwortlich ist.
Der Name eines anderen beliebten Speisefisches ist dagegen alles andere als leicht herzuleiten denn bei der Forelle muss man tief in die Sprachgeschichte eintauchen und die Wurzel ihres Namens zudem jenseits des europäischen Kulturraums suchen. Die rot getupfte und gesprenkelte Bachforelle zählt nämlich zu den nach ihrem Erscheinungsbild benannten Fischen. Ihr Name stammt aus dem altindischen Adjektiv perk (gesprenkelt), aus dem – man höre und staune – sich später das altgermanische Substantiv Forhele entwickelte.
Blickt man heute ins Internet und sieht dort Flussbarsche, die zwar keinerlei Ähnlichkeit mit einer Steinfrucht haben, trotzdem aber als Kirschen bezeichnet werden, wundert es einen nicht, dass unsere Vorfahren in Fischen alle möglichen Gegenstände und Kreaturen zu erkennen vermochten
Zum Beitragsbild: Die Fisch-Namen sind mehr als Schall und Rauch. Dieses englische Blatt aus dem 19. Jahrhundert lud junge Menschen ein, sich die einzelnen Arten einzuprägen.