Glasaugen mit Migrationshintergrund

Wie die Zander nach Deutschland kamen

In einigen Bundesländern ist es verboten, offene Gewässer mit Zandern zu besetzen. Obwohl die Verbotsgründe bei vielen Anglern längst in Vergessenheit geraten sind, gelten die Stachelritter mancherorts noch immer als Fremdling. Doch wie und woher kamen sie überhaupt zu uns?

Der Sander ist ein länglicher, und mit rauhen oder scharffen Schuppen bedeckter Fisch, aus einem Hecht und aus einem Parsch zusammengesetzt, denn der Kopff ist schmahl, nach Art der Hechte, der übrige Leib aber gleichet einem Parsch. Es gedencket der seelige Elsholz in seinem Fisch Buche wie alte Leute berichteten, daß dieser Fisch vor Zeiten nicht bekandt gewesen, wie denn auch Colerus dieses Fisches in seiner Oeconomia nicht gedächte. In den ietzigen Zeiten giebt es deren viel in der Oder und Spree und fängt man auch solche in den Teichen in der Nieder-Lausitz.“ Mit diesen Worten beginnt das Kapitel über Zander in einem der wichtigsten Fischereibücher des 18. Jahrhunderts, nämlich im Klassiker Der wohlunterrichtete Teutsche Fischer aus der Feder des kursächsischer Oberforst- und Wildmeister Hans Friedrich von Fleming (1670–1733). Fleming, der im Barock zu den meistgelesen Schriftstellern im Deutschen Reich zählte, war auch das, was man heutzutage einen Outdoor-Writer nennen würde. Bemerkenswert an seinen hier zitierten Zeilen aus dem Jahre 1724 ist vor allem die Erwähnung zweier naturkundlicher Standardwerke, die uns heute erste Hinweise auf die Verbreitungsgeschichte des Zanders geben. Während für Johannes Coler (1566–1639) diese Fischart völlig unbekannt war, wusste Johann Sigismund Elsholtz (16231688) sie Mitte des17. Jahrhunderts als Neuankömmling in deutschen Gewässern vorzustellen.

Der Zander fehlte im 16. Jahrhundert aber keineswegs überall, denn der berühmte Züricher Naturforscher und Gelehrte Conrad Gesner (1516–1565) wusste in seiner mehrbändigen Historia animalium, die zwischen 1551 und 1558 sowohl auf Latein als auch auf Deutsch (Tierbuch) erschienenen war, über ihn zu berichten: „Wird nun an ettlichen Orten und nicht an alllen gefangen als in der Thonau [Donau] und Amersee in Beyern.

Frühe Einbürgerungsversuche

Begehrt waren die in Osteuropa von jeher heimischen Fische vor allem wegen ihres schmackhaften Fleisches, auf das es wohlbetuchte Adlige, Geistliche und Ratsherren abgesehen hatten. Ein Problem stelle aber der Transport lebender Zander dar, die man nicht wie Karpfen oder Schleien in Holzbottichen auf eine tagelange Überlandreise schicken konnte. Bestrebungen, sie heimisch werden zu lassen, gab es trotzdem nicht wenige. Dabei ist der vergebliche Versuch der Herzogin Christine von Holstein-Gottrof (1573 1625), ein paar Dutzend Exemplare im Frühjahr 1590 von Holstein nach Hessen zu senden, wohl der bekannteste einer ganzen Reihe von frühen Zandertransporten, von denen aber so gut wie keiner ein glückliches Ende nahm. Entweder weil die Fische, wie im Falle der Herzogin, auf dem Transport verstarben, oder sich in ihrer neuen Heimat nicht vermehrten, wie jene fünf Setzlinge, die Mitte des 18. Jahrhunderts in Hessen ankamen, doch dort nicht ablaichen wollten und schließlich in einer Bratpfanne ihr Ende fanden.

Angelbuchklassiker als Zander-Wanderkarten

Einen erfolgreichen Boom erlebte die von Menschen initiierte Zandervölkerwanderung erst im 19. Jahrhundert als mit der Eisenbahn eine schnellen Transportmittel für lebende Fische zur Verfügung stand. Trotzdem dauerte es bis weit in die 1880er Jahre, bis die Glasaugen fast überall in Deutschland heimisch wurden. Mitte des 19. Jahrhunderts sah es noch ganz anders aus. In seinem Werk Das Ganze der Angelfischerei und ihrer Geheimnisse aus dem Jahre 1856 schrieb der Baron von Ehrenkreutz (Lebensdaten unbekannt): „Ein eben so wenig bekannter Fisch am Rheine wie der vorige [Wels], desto mehr ist er in den nordöstlichen Provinzen Deutschlands, besonders Preußen, Pommern, den Marken zu Hause, wo er in großen Seen und Flüssen mit reinem Wasser und sandigem Grunde einheimisch ist. In der Elbe findet man den Zander bis nach Böhmen hinauf, aber nur selten; in der Donau bis hinauf nach Ingolstadt; im Kochel- und Ammersee, wo er den Namen ‚Amaul‘ führt, wird er oft zu 20 Pfund schwer gefunden.Im heute so beliebten Zanderfluss Rhein wurden die ersten Zander erst 1883 gesetzt und haben diesen Lebensraum, von den meisten Petrijüngern unbemerkt, während der Hochphasen seiner Verschmutzung erobert. Mit der Rheinreinigung entdeckte man dann – etwa zeitgleich mit der Erfindung von Twistern – den heute so legendären Zanderreichtum, der wohl noch lange nicht das Ende der Verbreitungsgeschichte darstellt.

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