Vom Stöckchen zum Zielfischhaken. Die Geschichte der Angelhaken
Vergleicht man die vielfältigen Formen frühgeschichtlicher Angelhaken mit dem Angebot in den heutigen Geräteläden, so fällt auf, dass es kaum Unterschiede zu erkennen gibt. Selbst Zwillingshaken und die sonderbarsten Formen moderner Einzelhaken, ob sie nun Limerick, Jamison, Round Bent oder wie auch immer heißen, sind in der langen Geschichte des Fischfangs schon da gewesen.
Archäologen gehen davon aus, dass Menschen seit rund 40.000 Jahren Angelhaken herstellen. Wobei jedoch die ersten echten Haken erst vor rund 26.000 Jahren aus Knochen geschnitzt wurden, denn würden die Vorläufer dessen, was wir als Angelhaken bezeichnen, nicht heute noch von einigen Naturvölkern Südamerikas und Neu Guineas verwendet; so könnte man ihre versteinerten Überreste wohl nicht als Fischereigeräte identifizieren. Bevor nämlich der Haken krumm wurde, waren seine Vorgänger noch kerzengerade und bestanden aus einem an beiden Enden angespitzten Stückchen Holz, das mittig an eine Schnur geknotet wurde und sich beim Anhieb im Fischmaul verkeilte. Zwar sind diese Stöckchen eher als Maulsperren denn als Angelhaken zu bezeichnen, trotzdem erfüllen sie denselben Zweck; und erst der Umstand, dass die Stöckchen heute noch in Gebrauch sind, erlaubt es Archäologen Rückschlüsse auf den Beginn der Angelfischerei vor rund 1.600 Generationen zu ziehen.
25 Stundenwoche in der Steinzeit
Die ersten wirklich modernen Hakenformen stammen nicht etwa aus der Epoche einer frühen Hochkulturen an Euphrat und Tigris; und es waren auch nicht die alten Ägypter, denen man die Erfindung des Angelhakens zuschreiben kann, denn schon lange vor dem Bau der ersten Pyramiden fischten die Neandertaler in unseren Breiten mit aus Knochen geschnitzten und widerhakenlosen Angelhaken, die sie an dünnen Tiersehen befestigten. Was für moderne Angler nach primitivstem und jeden Fisch verstörendem Angelgerät ausschaut, wird erst vor dem Hintergrund des enormen Fischreichtums in der Ur- und Frühgeschichte deutlich, denn noch vor gut 30.000 Jahren waren die Gewässer Mitteleuropas so fisch- und die Wälder so wildreich, dass unsere Vorfahren, die damals weder Ackerbau noch Viehzucht kannten, wöchentlich nur etwa 25 Arbeitsstunden für den Erwerb ihrer Nahrung aufwenden mussten.
Mit der Entwicklung des Urangelhakens in der Frühgeschichte blieb die Hakenform im Wesentlichen gleich und auch aus der Bronze- und Eisenzeit fördern archäologische Grabungen – sieht man einmal vom verwendeten Werkstoff ab – keine sensationellen Hakeninnovationen zutage.
Innovationsarme Geschichte
Obgleich sich das Angeln in der Antike und im Mittelalter auch an den Fürstenhöfen als Freizeitbeschäftigung durchsetzt hat, blieben die Angelhaken im Vergleich zur Steinzeit doch dieselben. Zwar verstand man es im hohen Mittelalter, sie mit Federn zu verkleiden und so frühe Kunstfliegen zu entwickeln, doch ist mit dieser Innovation der Beitrag des gesamten Mittelalters an der Entwicklung des Angelhakens auch schon umschrieben. Da es aber bis zum Beginn der Industrialisierung und der damit einhergehenden Gewässerverschmutzung und Überfischung der Gewässer noch immer satt und genug Fische in den Seen, Flüssen und Meeren gab, war auch niemand gezwungen, das Angelgerät und somit auch den Angelhaken zu verfeinern.
Das es gerade in England, dem Mutterland der Industriellen Revolution mit all ihren Nachteilen für die Umwelt, zu den ersten Verfeinerungen von Angelhaken kam, darf niemanden verwundern. Und so verdanken wir es den englischen Anglern, denen seit jeher auch ein hohes Maß an Innovationstalent und Skurrilität nachgesagt wird, dass im 19. Jahrhundert europaweit Einigkeit über die exzellente Qualität Englischer Haken bestand. Ein Blick in die Fachliteratur des 19. und frühen 20. Jahrhunderts beweist, dass die Briten in Form, Herstellung und Wahl des Materials die weltweit besten Haken bauten, was aber wohl auch damit zu tun hatte, dass sie zu Zeiten Königin Victorias in ihrem riesigen Kolonialreich genug Anschauungsbeispiele unter die Lupe nehmen konnten, die dann in der Heimat nachgebaut und zum Fang von Hechten, Forellen, Karpfen und Weißfischen eingesetzt wurden.
Der Umstand, dass sich an der Form der Angelhaken von der Steinzeit bis in unsere Tage nicht viel geändert hat, macht sie nicht nur zu einer im wahrsten Sinne des Wortes runden Sache, sondern kann uns auch zur Mahnung gereichen, mit der Beurteilung des logischen Denkvermögens früher Menschen nicht zu voreilig zu sein.
Das Beitragsbild stammt aus einem Angelbuch des frühen 18. Jahrhunderts.