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Mit Kettchen und Öl. Spinnfischen im Wirtschaftswunder

Schon lange bevor Gummifische im Fachhandel auftauchten, begaben sich passionierte Spinnfischer mit klobigem Gerät auf Raubfischjagd.

Spinnfischen galt lange als Notlösung für Angler, denen beim Ansitz auf Hecht und Zander die Köderfische ausgegangen waren. Aber auch vor 70 Jahren gab es Petrijünger, die den Raubfischen gezielt mit der Spinnrute auf die Schuppen rückten. Ein Blick in alte Angelbücher zeigt, dass unsere Väter und Großväter noch in den 50er Jahren über ein gehöriges Maß an handwerklichem Geschick verfügen mussten, wollten sie beim Spinnfischen erfolgreich sein.

Ruten und Rollen

Ruten-Rollen-Kombis waren vor der Erfindung moderner Kunststoffe und ruckelfrei funktionierender Bremsen klobig und schwer, sodass man es sich heute kaum mehr vorstellen kann, mit diesen Geräten über längere Zeit zu werfen und gehakte Raubfische ohne Mühe auszudrillen. Spinnruten, die man damals als Wurfruten bezeichnete, waren aus gespleißtem Bambus oder Fieberglas und selten länger als 1,5 bis 1,6 Meter. Dabei handelte es sich zumeist um zweiteilige Steckruten mit entsprechend steifer Aktion. Teleskopruten kamen erst Ende der 50er Jahre auf den Markt, und die ersten Modelle dieser damals so genannten Kofferruten waren aus Leichtmetall gefertigt. Bei den Rollen mussten sich sowohl west- als auch ostdeutsche Angler bis Beginn der 50er Jahre mit einfachen Haspelrollen behelfen, die ein Spinnfischen auf weitere Entfernungen fast unmöglich machten. Erst mit der Einführung von Multirollen (die aber längst nicht für jeden erschwinglich waren) konnten gute Wurfresultate erreicht werden. Allerdings hatten Multirollen den Nachteil, dass das jeweilige Wurfgewicht an einer Fliehkraftbremse eingestellt werden musste, was bedeutete, dass bei jedem Köderwechsel die Bremskraft neu einzustellen war. Auch bedurften die frühen Angelrollen regelmäßiger und sorgfältiger Pflege. Der Altmeister des Angelsports Max Piper empfahl 1950 zur Rollenpflege: „Wer seine Rolle mit Spitzenlagerung besonders pflegen will, verschaffe sich Penduleöl vom Uhrmacher. (…) Solches Uhrmacheröl füllt man in ein Röhrchen, dessen Korken einen dünnen Draht hat. Ein Tröpfchen genügt für jedes Achslager.“

Von selbst abtrocknende Angelschnur war zu Anfang der 60er Jahre der letzte Schrei und wurde mit dem Hecht als König der Raubfische beworben.

Schnur

Vor der Erfindung moderner monofiler Angelschnur aus Nylon wurden Schnüre aus Perlonseide hergestellt. Zwar hatten diese dicken Geflechtschnüre eine recht hohe Tragkraft, man konnte mit ihnen aber nicht allzu weit auswerfen. Um trotz des starken Kalibers bessere und reibungslosere Würfe zu platzieren, musste die Angelschnur gefettet werden. Noch in der fünften Auflage des Klassikers Spinnfischen aus dem Jahr 1965 erläutert Max Piper: „Die Schnur in Benzin legen, dem etwa 15% Paraffin oder auch käufliches Schwimmfett beigemischt wird. Mit der Paraffinpaste von Zeit zu Zeit nachreiben, erhält sich die Fettigkeit. Das gleiche gilt für Schnur, die mit säurefreier Vaseline eingefettet wurde, auch sie kann eine Paraffineinreibung erhalten. Zum Einreiben der Fette nimmt man weiches Leder oder Schnurfetter, die man kaufen kann, noch besser die warme Hand.“ Ein weiterer Nachteil bestand darin, dass die Leine Wasser aufnahm und nach jedem Angeln komplett von der Rolle gezogen und zum Trocknen auf einen speziellen Schnurtrockner gespannt werden musste.

Systeme waren in den 50er Jahren sehr beliebt und kamen häufig zum Einsatz.

Spinnköder

Bis in die 50er Jahre war die Auswahl an Spinnködern klein. Dies lag zum einen daran, dass sich noch keine Hobby- und Freizeitindustrie entwickelt hatte und zum anderen, dass man mit dem schweren Ruten- und Rollengespann nur schwere Kunstköder ausreichend weit werfen konnte. Im wesentlichen kamen die zwei Blinkerklassiker Effzett und Heintz zum Einsatz. Daneben gab es eine bescheidene Auswahl an hölzernen Wobblern und einige Spinnermodelle, die jedoch nicht wie moderne Spinner eigenschwer waren, sondern mit vorgeschalteten Bleien beschwert werden mussten, um sie weit genug werfen und auf Tiefe bringen zu können. Außer künstlichen Ködern wurden auch verschiedene Spinnsysteme für das Angeln mit toten Köderfischen eingesetzt, von denen viele sehr fängig waren und heute noch von eingefleischten Spinnfischern nachgebaut werden.

Kleinzeug

Das nötige Kleinzeug musste bis weit in die 50er Jahre hinein von den Spinnfischern selbst hergestellt werden. Für das Spinnfischen auf Hechte geeignete Stahlvorfächer waren bis zum Beginn der 60er Jahre unbekannt. Stattdessen wurden im Fachhandel Metallketten verwendet. Wem diese Gliederkettchen zu steif waren, der war gezwungen, sich in den Bastelkeller zurückzuziehen und dort geeignete Vorfächer aus Draht selbst herzustellen. Auch stabile Wirbel musste man sich selbst basteln, denn die Tragkraft der ersten Agraffenwirbel war alles andere als hoch. Bei Max Piper finden sich allerlei Anleitungen zum Bau von Wirbeln, die man sich aus „einer Stecknadel und 5 cm x-beliebigem Draht nach altbewährtem Rezept“ herstellen konnte.

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